Alibaba in Europa

220.000 Quadratmeter Lager- und Logistik

Der chinesische Onlineriese "Alibaba" baut ein Logistikzentrum in Europa. Nach eigenen Angaben fährt der Konzern "fürs Erste auf Sicht" und realisiert den ersten Bauabschnitt mit "nur" 30.000 Quadratmetern Lager- und Logistikfläche. Eine Fertigstellung ist noch für das Jahr 2021 geplant. 

Das Logistikzentrum in Lüttich soll langfristig etwa 220.000 Quadratmeter Fläche umfassen und ruft den Protest von Anwohnern und Umweltschützern auf. Gegen die in Aussicht gestellten 2.000 neuen Arbeitsplätze stehen der Erhalt landwirtschaftlicher Flächen und der dafür massive Ausbau des Luftfracht-Flughafen in Lüttich. Bereits im Jahr 2019 wurden über dieses Drehkreuz etwa 900.000 Tonnen Frachtgüter bewegt. Nach der Ansiedlung von Alibaba schätzen Fachleute eine bis zu dreimalige Steigerung des Frachtaufkommens. 

Alleine die der wallonischen Provinzregierung in Aussicht gestellten 300 Millionen Gewerbesteuer pro Jahr plus einer nahezu Vollbeschäftigung der Bevölkerung im Umfeld würden Lüttich in dem Kreis der Wirtschaftsmetropolen anheben. Mit dem LKW transportiert wären die von Alibaba vertriebenen Waren und Güter in etwa zwei Stunden in Köln, Düsseldorf und im Ruhrgebiet. 

Nach Angaben von James Song, Senior Direktor der Alibaba Group und dem belgischen Vize-Premierminister Kris Peeters seien gemeinsame Absichtserklärungen unterschrieben worden. Das Ziel sei es, den länderübergreifenden weltweiten Handel zu stützen. Darüber hinaus habe Alibaba zeitgleich auch einen Vertrag abgeschlossen, der die Anmietung einer Logistikfläche am Flughafen Lüttich vereinbart. Das Zentrum nennt Alibaba das „Tor zu China“, da es den internationalen Handel grundsätzlich erleichtern und Unternehmen den Zugang zum chinesischen Markt ermöglichen soll.

Angesichts der gigantischen Flächen ist aber mit dem Gegenteil zurechnen, nämlich dass Alibaba vornehmlich chinesische Waren direkt und über eigene Kanäle in Europa vertreiben wird. Beispiele dafür sind bereits in England und Spanien am Netz.

Es zeichnet sich der wohl größte Online-Krieg in der Europäischen Geschichte ab: Amazon gegen Alibaba. Ein Teil der Fläche soll nach eigenen Angaben dem B2B Geschäft gewidmet werden. Man beobachte sehr genau, welche Waren und Angebote im klassischen Onlinehandel auf gewerbliche Endverbraucher gerichtet seien. Experten schätzen, dass vor allem das Handwerk mit Werkzeugen und Zubehörartikeln, die Lagertechnik und die gewerblichen Gastgeber im Focus der Aktivitäten stehen. 


Angriff auf den Einzelhandel 

Die Spekulationen über eine Offensive auf der Fläche kommen nicht von ungefähr. Im Sommer 2020 hatte Alibaba bereits eine erste europäische Aliexpress-Filiale im zweitgrößten Shopping-Zentrum Spaniens (Xanadú) in Madrid eröffnet. Ende November folgte nun Filiale Nummer 2 in Barcelona im Einkaufszentrum Finestrelles. Aliexpress in Barcelona.

Die Schlangen vor den Märkten erinnern an die Einführung eines neuen iPhones. Alibaba setzt das todgesagte Konzept des Warenhauses vollkommen neu und und untermauert es mit der größten Finaz- und Logistikkraft der Welt. 

 

 

2 AliExpress-Filialen in Spanien Wozu Alibaba in Europa auf der Ladenfläche fähig ist, zeigen die AliExpress-Filialen in den Einkaufstempeln beispielhaft. Auf rund 750 Quadratmetern (Madrid) und rund 1.000 Quadratmetern (Barcelona), konzeptionell einem Apple-Store nicht unähnlich, werden rund 1000 Produkte von 60 Marken präsentiert – darunter auch etliche internationale Brands sowie auch chinesische Hersteller. Die Stores sind vor allem ein Marketing-Vehikel. Alibaba zum Anfassen, um die Frustration mancher Kunden angesichts von Betrügereien, Lieferverzögerungen, fehlerhaften Produkten und Fake-Artikeln zu lindern. AliExpress Plaza verspricht zudem vier Dinge: kostenlose Sendungen in drei Tagen, eine zweijährige Garantie nach spanischem Recht, eine 15-tägige kostenlose Rückgabefrist und keine Zollprobleme.


Wir nennen das die Apokalypse im Onlinehandel

Angesichts der Größe und Kraft von Alibaba China ist der amerikanische Gegenspieler Amazon im direkten Vergleich als Unterlegener zu bewerten. Im Vergleich der Jahresumsatz 2019 beider Unternehmen

  • Amazon 281 Milliarden US$ (mit allen Konzerntöchtern weltweit)
  • Alibaba  538 Milliarden US$ (nur Onlineumsatz China)

 

Zudem muss sich Amazon mit einer dezentralen Logistik und im Vergleich zu Belgien mit sehr teuren Lagerflächen gegen den Konkurrenten stellen. Hinzu kommt, dass Tarifrecht und Lohnkosten im angrenzenden Holland und Belgien erheblich günstiger sind als in Deutschland.

Alibaba wird 2021/2022 massiv in das Marktgeschehen in Europa eingreifen und den Veränderungsprozess im klassischen Fachhandel wesentlich beeinflussen. Davon betroffen sein werden sowohl der Onlinevertrieb als auch der stationäre Handel. 

Eines jedoch steht heute schon zu befürchten! Die Kontrollbehörden und der Zoll werden mit der Warenflut aus Lüttich vollkommen überfordert sein. Heute schön müssten die betroffenen Ämter und Behörden mindestens 300 neue Mitarbeiter rekrutieren, um das kommende Aufkommen zu bewältigen. Dem ist aber nicht so.

Deshalb steht zu befürchten, dass es zu einer weiteren Verzerrung des Wettbewerbes führen wird, wenn Mehrwertsteuer und vor allem Zölle und Einfuhrabgaben nicht korrekt deklariert werden. Fest steht, dass ein „fairer Wettbewerb“ sein Nachsehen haben wird.   

Wer also als stationärer Fachhandel heute auf das Internet als Zukunftsmarkt setzt, sollte wissen, mit wem er es hier aufnimmt. 

 

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