Bossieren

Bossieren - eine uralte Handwerkskunst der Porzellanmacherei

 

Den Begriff "Bossieren" sucht man in der einschlägigen Fachliteratur leider vergebens. Er stammt ursprünglich aus dem Französischen und stammt von einem Klumpen Weichmaterial ab. Der Bossierer bearbeitet meist Gips, Wachs, Talk, Baumharze oder weiche Tone. Im Gegensatz zum Modellieren fertigt der Bossierer keine eigenen Gegenstände an, sondern "bossiert" Borden, Ränder und andere Verzierungen für Lampen, Möbel, Schmuckstücke, Stuck, Ornamente und andere Statuetten, die dann später auf- bzw. angesetzt wurden.

In der europäischen Porzellanindustrie entstand ab Anfang des späten 18. Jahrhundert der Beruf des "Porzellan-Bossierer", der in den historischen Manufakturen in Meissen, Fürstenberg, Ludwigsburg, Dresden, Frankenthal u.a. mit der Anfertigung von Kunstgegenständen für die Adelshäuser betraut war. In dieser Zeit hat sich die Noblesse der Oberschicht quasi um die Wette beschenkt, wer die schönsten und ausgefallensten Stücke in Porzellan (Weichporzellan) anfertigen konnte.

Nach unserer Vermutung entstammt die Abwandlung der Bossierkunst zur Porzellanmacherei der Verarbeitung von Weichporzellan. Im 19. Jahrhundert reifte das Bossieren zu einem anerkannten Handwerksberuf und wurde u.a. an der Universität Chemnitz gelehrt. Aus verschiedenen vorgefertigten Porzellanelementen unterschiedlicher Techniken, u.a. dem sog. Fritten, wurden dann Porzellanfiguren und andere Statutetten zusammengesetzt und gebrannt.

Der Beruf des Bossieres starb Ende des 20. Jahrhundert nahezu aus und wurde duch die zunehmende Industrialisierung ersetzt. Mag sein, dass es heute noch kleine Betriebe und Manufakturen gibt, die die Kunst des Bossierens noch betreiben. Wir unterstellen aber, dass dies mehr einem Hobby oder Image entspringt als einer wirtschaftlichen Gewinnabsicht. Die einzige noch existierende Bossierwerkstatt für Porzellan, die wir jemals in der Neuzeit besichtigt haben, war ein Staatsbetrieb der Provinzregierung in Guangdong (China) im Nationalmuseum von Foshan. Dort fertigen Bossierer für Großinvestoren - meist für die Regierung - Ornamente an. Das Bild oben zeigt die Anfertigung einer 3,5 Meter hohen Türe aus Keramik, die für ein Gebäude in der "Forbidden City" - der verbotenen Stadt - angefertigt wurde.  Herstellungszeit: Rund 3 Jahre. Anzahl der verarbeiteten Bossen: ca. 2 Millionen.

In der Porzellansammlung von Holst Porzellan befinden sich 2 Bossen-Statuetten aus der Staatlichen Manufaktur Foshan. Angefertigt um 1980. Ein "Chinesischer Blauregen" (Wisteria Glyzine) mit etwa 150.000 Bossen und ein "Orchideenbaum" (Bauhinia Variegate) mit mehr als 200.000 Bossen. Wirklich gezählt haben wir die Anzahl der Bossen aber nicht.

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