Formenbau

Formenbau in der Porzellanherstellung


 

 

In der Rohstoffaufbereitung arbeiten die handwerklichen und industriellen Porzellanhersteller nach dem ungefähr gleichen Prinzip. Mit der Anfertigung der Formen beginnt jedoch ein wesentlicher Unterschied. Die ersten beiden Stufen der Produkt- bzw. Formenentwicklung sind aber meist bei beiden Verfahrenstechniken dieselben.

  • Entwurf als Design, Zeichnung oder Abdruckmuster
  • Modell des Entwurfs oder Abdruckmuster des Objekts 

 

I.d.R. beginnt erst danach die Unterschiedlichkeit des Formenbaus. Wir zeigen auf dieser Seite die wesentlichen Unterschiede der Anfertigung traditioneller Gipsformen sowie die Herstellung hochmoderner Pressformen für die industrielle Porzellanherstellung.

Wie unserem Schaubild oben zu entnehmen, besteht der Formenbau der handwerklichen Porzellanherstellung aus drei Stufen. Die Funktion der jeweiligen Form entnehmen Sie bitte den jeweils zugeordneten Links.

 


 

Der klassische Formenbau - die Vorform

 

 
Schon die Erstellung der Vorform (Video oben) als Abdruck des Urmodells erfordert viel Sachverstand des Modelleinrichters. Die Vorform wird als  Negativform und als Gipsform angefertigt. Soweit im Urmodell noch nicht vorgesehen - und dies ist immer der Fall, wenn es sich um Vorlagemuster handelt -, muss vorher die Schwindung des Porzellankörpers berechnet werden.
 
Aus dieser Vorform wird dann das sogenannte Nullmuster hergestellt. Dieses 0-Muster dient dem Designer, Entwickler oder Modelleinrichtiger zur Überarbeitung und Ausbesserung. Es wird geprüft, ob alle Details und Proportionen so ausfallen, wie es vorgesehen ist. Henkel, Schnaupen, Ränder und Ansätze werden sorgfältig ausgeprägt, Verzierungen und Reliefs nachgearbeitet. Es wird geritzt, geschmirgelt und geformt, bis das Nullmuster vollkommen der Produktidee und den Produktvorgaben entspricht. Ist das Nullmuster "abgesegnet", wird die Vorform i.d.R. zerstört, weil sie dann keinen Nutzen mehr hat.
 

 

Der klassische Formenbau - die Mutterform

 

 
In der klassischen bzw. handwerklichen Porzellanfertigung wird aus dem überarbeiteten Nullmuster die Mutterform abgegossen (siehe Video oben). In der hochtechnisierten Herstellung werden Mutterformen aus digitalen Datensätzen mittels CNC-Technologie (siehe Video weiter unten) aufwändig als Positivform angefertigt. Je nach Hersteller erfolgt dies i.d.R. aus Spezialkunststoffen oder besonderen Kunstharzen. In der industriellen Porzellanherstellung wird die Mutterform aus gehärtetem Edelstahl hergestellt, aber dazu später mehr. Auch bei der Anfertigung der Mutterform muss der Modelleinrichter mit besonderer Sorgfalt vorgehen, um nicht neue Fehler durch unsauberes Arbeiten, Staub oder Verschmutzungen in die Form einzubringen. Ist die Mutterform ausgehärtet bzw. poliert, dient sie zur Herstellung der Arbeitsformen. Bei der Anfertigung der Mutterform entscheiden sich wesentliche Produktmerkmale. Hier lassen sich viele später im Porzellan auftretende Fehler vermeiden. Glasurnähte, ungewollte Kanten, Drainagen und viele andere Details können/ sollten/ müssen in der Mutterform festgelegt werden. An dieser Stelle zeigt sich eine der besonderen Herstellungskompetenzen von Holst Porzellan! 

 

Der digitale Formenbau - die Mutterform

 

 
Dank der Weiterentwicklung moderner Techniken lassen sich Mutterformen auch vollständig automatisch mittels CAD-Technologie herstellen. Das obige Video zeigt die Herstellung von Mutterformen für Becherhenkel und eine Porzellanplatte mittels digitaler CAD-Frästechnologie. Als Grundmaterial für die CAD-Mutterform dient ein Hochleistungskunststoff, der in punkto Langlebigkeit der Edelstahlform unterlegen ist. Dafür ist das Material günstiger und lässt sich mittels computergesteuerten Fräsen besser, schneller und vor allem günstiger bearbeiten. Die Genauigkeit der Konturen ist der CNC-Technologie ungefähr gleich.
 
Dennoch sind diese Arten der Formenherstellung - CAD und CNC - gegenüber der handwerklichen Fertigung extrem teuer und eignen sich weder für Kleinserien noch für kurzweilige Produkte. Der hohe Kostenaufwand des Formenbaus in der hochtechnisierten Porzellanherstellung in einer Zeit mit sehr schnelllebigen Designs, Formen und Kundenansprüchen ist eines der Hauptprobleme der europäischen Porzellanindustrie. Wem nützt eine Form, die hundert Jahre hält, wenn das Design nicht mehr gefragt ist.
 

 

Der klassische Formenbau - die Arbeitsformen

 

 

Aus der Mutterform werden dann die Arbeitsformen - die Formen für die eigentliche Produktion - hergestellt.

Arbeitsformen sind Negativformen. In der handwerklichen Porzellanherstellung werden sie als Gipsformen angefertigt. Je nach Herstellungsart des späteren Porzellanartikels ist die Anfertigung der Arbeitsformen eine Schwerstarbeit, für die es bislang keine Maschinen gibt. Wie lange solche Gipsformen eingesetzt werden und wie viele Stücke Porzellan damit angefertigt werden können, lesen Sie bitte in unserem Abschnitt Halbwertzeit.

 


 

Der industrielle Formenbau

Der Formenbau für hochmoderne isostatische Pressen und Fertigungsstraßen unterscheidet sich erheblich vom Formenbau in der traditionellen Porzellanherstellung. Hier vereinen sich Scantechnologie, CAD-Planung und CNC-Formenbau. 

Schon Anfang der 1980er Jahre hat die voranschreitende industrielle Entwicklung die Porzellanindustrie erreicht. Anfang der 1980er Jahre errichtete die Firma Netzsch in Zusammenarbeit mit der Hutschenreuther AG die erste isostatische Presse. Die Anfertigung der Formen für diese hochmoderne Art der Porzellanherstellung ist weitaus teurer und komplizierter als der Formenbau in der traditionellen Porzellanherstellung.

 

Digitale Scanner leisten hier die Arbeit des Modelleinrichters und rechnen einen Porzellankörper binnen weniger Minuten in einen Datensatz um. Dabei ist die Software in der Lage, die Schwindung bereits im Vorfeld exakt zu berechnen. Über eine CAD-Technik kann der Digitalscan variiert, abgewandelt oder verändert werden. Sofern ein Modell gewünscht wird, kann dies über einen 3-D Drucker erstellt werden. Ist der Entwurf dann abgesegnet, entsteht lediglich ein Datensatz auf einer CD oder auf einem anderen Datenträger.

 
Dieser Datensatz wird dann an eine CNC-Maschine übertragen, die in der Lage ist - abhängig von Ausführung und Größe des Endprodukts - innerhalb von 2 bis 12 Stunden eine Mutterform anzufertigen. Alleine nur ein CNC-Fräsenblock aus Edelstahl kostet je Ausführung und Verwendungszweck zwischen 4.000 und 40.000 Euro. Die CNC-Drehmaschinen liegen - je nach Antriebstechnik, Steuerungsmodulen und Software - zwischen EUR 150.000,-- und EUR 1.000.000,--. Rechnet man den Scanner (Bild oben), einen leistungsfähigen 3D-Drucker, den Computer und die Software hinzu, erreicht man schnell ein Investitionsvolumen zwischen EUR 250.000 und 1,7 Millionen Euro. Wohl gemerkt: Nur für den Formenbau!
 
Mit CNC erstellte Formen benötigen nur noch ein kurzes Nachpolierens, ein bisschen Schleifen und Putzen - und schon kann die Anfertigung der Arbeitsformen beginnen.
 
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