Christian Netzsch

1873 gründete Christian Netzsch zusammen mit seinem Bruder Thomas die Maschinenbaufirma "Gebrüder Netzsch Selb". Die Nähe und Freundschaft zu Lorenz Hutschenreuther, ältester Sohn von C.M. Hutschenreuther - brachte den Gebrüdern Netzsch die Nähe zur Porzellanherstellung. Dieser errichtete 1857 die erste Porzellanfabrik in Selb und galt seinerzeit als Samariter der gesamten Region. Ein Jahr zuvor war Selb von einer Feuerkatastrophe heimgesucht worden, und mehr als 3.000 Bewohner waren arbeits- und obdachlos.

Obwohl zwei Kriege und ein großer Strukturwandel die Entwicklung beider Unternehmen für Jahrzehnte unterbrach, behielten Netzsch und Hutschenreuther die Nähe zueinander. 1968 übernimmt Wolfgang Netzsch, der Enkel des Firmengründers, das Unterrnehmen und führt es immer näher an die Porzellanherstellung heran. 1974 etabliert sich Netzsch in der Feinmaltechnik und eröffnet ein neues Werk in Tirschenreuth. 1981 übernimmt die Netzsch-Gruppe die Heinrich Zeidler Maschinenfabrik und erweitert damit ihre Bedeutung und Kompetenz in der Herstellung von Maschinen und Geräten zur Porzellanherstellung. 

Bereits Anfang der 1980er Jahre entwickelte Netzsch zusammen mit Hutschenreuther die Verfahrenstechnik des isostatischen Pressens. Netzsch lieferte dazu die Maschinentechnik und die Hutschenreuther AG das notwendige isostatische Granulat. Am 20.04.1990 wird die Verfahrenstechnik des isostatischen Pressens als lebenslanges und weltweit geltendes Patent zu Gunsten der Hutschenreuther AG eingetragen. Ein wichtiger Unternehmenszweig der Hutschenreuther AG entsteht: Weltmarktführer für die Herstellung isostatischen Granulats für die Porzellanherstellung.

Die Erfindung betrifft ein Verfahren zur Herstellung eines keramischen Formkörpers durch Formen einer keramischen Formmasse zu einem formstabilen Formling und anschließendes Brennen eines Formlings. Wenn hier von keramischen Formmassen die Rede ist, so ist der Begriff "keramische Formmasse" im weitesten Sinn zu verstehen. Er umschließt alle feinkeramischen und grobkeramischen Formmassen wie Steingut, Steinzeug, Vitreous China, Bone China und insbesondere Porzellan, ferner technische Keramikmassen zum Beispiel auf der Basis von Siliziumkarbid, Siliziumnitrid, Aluminiumoxyd und Zirkonoxyd. Wenn hier von keramischen Formkörpern die Rede ist, so ist auch dieser Begriff im weitesten Sinne unabhängig von der Formgebung zu verstehen. Insbesondere ist aber an dünnschalige Formkörper gedacht, wie sie als Essgeschirrteile in Form von Tellern, Schüsseln, Schalen und Kannen vorkommen. Besondere Bedeutung hat die Erfindung für die Herstellung von Tellern, Schalen und Schüsseln, die herkömmlicherweise durch Verpressen von pulverförmigen keramischen Formmassen hergestellt werden können, z.B. aus granuliertem Porzellankorn. Grundsätzlich ist die Erfindung anwendbar auf die Verarbeitung aller technischen Stäube, auch solche der Pulvermetallurgie.  

Durch den Konkurs der Hutschreuther AG im Jahr 2000 werden die Patentrechte von Netzsch übernommen. 2001/2002 gerät die Netzsch Unternehmensgruppe selbst in die Insolvenz und wird am 16.10.2002 von der Sama Maschinenbau GmbH - einer Tochtergesellschaft der italienischen SACMI-Gruppe (Imola) übernommen. Alle Patente und immateriellen Vermögenswerte wandern damit aus Deutschland ab.

Seit 2002 werden diese in Deutschland entwickelten und über viele Jahrzehnte gereiften Technologien weltweit vertrieben. Dieser Ausverkauf des Know-hows trägt einen wesentlichen Anteil am Niedergang der deutschen Porzellanindustrie. Es sind nicht die Importe "aus dem billigen China" - wie es vielfach heißt, die diesen einst stolzen Industriezweig vernichtet haben! Es sind die deutschen Maschinen und Öfen, die heute zu Hunderten in Polen, Rumänien, der Tchechei, Türkei, Indien, Bangladesch, Vietnam, Indonesien, Russland, Portugal u.v.a. Ländern stehen und vollkommen gleichwertiges Porzellan - ohne Markenanspruch - zu wesentlich günstigeren Preisen herstellen. 

Der Zauberlehrling von Johann Wolfgang von Goethe beschreibt es mit den Worten ... "Wehret den Geistern, die ich rief".

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